Rezepte gegen die Ohnmacht

Kreatives Buchprojekt beim Kulturseminar mit Erwerbslosen 2010

Collage als Einstiegseinheit zum Buchprojekt "Rezepte gegen die Ohnmacht"Wenn Banken werden saniert, Sozialleistungen gestrichen, Steuerhinterzieher geschont und Arme verurteilt und zur Kasse gebeten werden, macht sich das Gefühl der "Ohnmacht" nicht nur unter Erwerbslosen und Armen breit. Viele Betroffene fühlen sich ohnmächtig gegenüber der Willkür von Behörden oder den Entscheidungen von Personalchefs. Sie fühlen sich ausgeliefert aufgrund der Erfahrung, dass Protestaktionen und Demonstrationen angesichts immer fortschreitender Kürzungen und Einschränkungen scheinbar nichts gebracht haben.

Diese Empfindung haben wir beim Kulturseminar 2010 als Thema aufgegriffen und von unterschiedlichen Aspekten her beleuchtet. Ziel war, Ressourcen und eigene Strategien im Umgang mit Ohnmachtsgefühlen zu erkennen, zu benennen und zu stärken und im Austausch mit anderen weitere Anregungen zu finden. Denn oft sind es die Bewältigungsstrategien im Kleinen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen vor dem Abrutschen in Depression, Resignation oder Sucht trotz bewahren.

Gleichzeitig war es auch Ziel des Seminars auf Missstände aufmerksam zu machen und sie zu benennen. Nicht nur, weil Auseinandersetzung und sich Wehren schon ein erster Schritt heraus aus der Resignation sind, sondern weil wir damit einen Beitrag leisten wollen, Vorurteile gegen Arme und Arbeitslose abzubauen.

An vier Tagen haben 23 Erwerbslose auf kreative, künstlerische und literarische Weise Ideen und Rezepte zusammentragen, wie sie das Gefühl der Ohnmacht bewältigen und wie es anders gehen kann - wie sie die Macht zurückgewinnen können, zumindest über ihr eigenes Leben.

Beim Gestalten von Schwarz-Weiß-Quadraten  Collage als Einstiegseinheit zum Buchprojekt "Rezepte gegen die Ohnmacht" 

Grundlage der Themenfindung bildete eine Collage aus Schwarz-Weiß-Bildern, die die Teilnehmer*innen am ersten Tag auf der Basis eigener Erfahrungen und Empfindungen gestalteten. Dann beschäftigten wir uns mit dem Thema Resilienz: was ist innere Widerstandskraft, welche Faktoren führen zu Resilienz und wie kann sie gestärkt werden? Auf dieser Grundlage fanden sich die Teilnehmenden in Kleingruppen zusammen, die sich für die Bearbeitung einzelner Themenblöcke entschieden. Die Kleingruppen arbeiteten an jeweils einem Aspekt oder mehreren Aspekten weiter, vertieften diese und entwarfen dazu und einzelne Buch-Seiten. Dabei wurde viel diskutiert, aber auch viel geschrieben, gemalt, gedichtet, gezeichnet, geschnitten und geklebt.

Daraus entstand ein 34-seitiges gebundenes Buch im DinA2-Format, das bei der Abschlussveranstaltung am 13. August 2010 mit Lesung einiger Textbeiträge und musikalischer Untermalung vor Gästen präsentiert wurde. Das Buch wanderte in der Folgezeit durch Hessen und wurde an verschiedenen Orten und bei Veranstaltungen ausgestellt. Zum Buch wurde eine Webseite mit Galerie erarbeitet, die hier erreichbar ist. Das Buch kann auch als pdf heruntergeladen werden.

Das Seminar wurde veranstaltet vom Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN in Kooperation mit der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck und der Katholischen Betriebsseelsorge im Bistum Mainz und von Martina Bodenmüller und Holger Wilmesmeier angeleitet.