Sitzschlange im Stadtteil

Eine "Sitzschlange" für das Westend - Wohnumfeldgestaltung als Stadtteilprojekt in Wetzlar

Kopf der Sitzschlange im Wetzlarer WestendIm Rahmen des Bundesprogramms Soziale Stadt hat der Wetzlarer Stadtteil Westend ein neues Gesicht bekommen. Zentrum ist seitdem das für die Bewohner*innen zugängliche Nachbarschaftszentrum Silhöfer Aue. Inhaltlich finden hier unterschiedliche Projekte und Veranstaltungen für und mit Bewohner*innen des Stadtteils statt. Ausgehend von Gesundheitsprojekten, die ich 2004 und 2005 mit der Wetzlarer Arbeitsloseninitiative e.V. WALI dort konzipierte und durchführte, entstand die Idee, auch an der Außengestaltung des Stadtteils mitzuwirken. Im Projekt war ein Kräutergarten angelegt worden, der von den Aktiven weiter gepflegt wurde, und nun äußerten die Bewohner*innen den Wunsch nach einem Aufenthaltsbereich mit Sitzgelegenheiten und ihr Interesse, daran mitzuarbeiten.

Aus der erfolgreichen Arbeit der Gesundheitsprojekte heraus starteten wir daher im Januar 2006 mit einem neuen Projekt, bei dem es darum ging, Tätigkeitsfelder für Erwerbslose zu erschließen, mit der eine Wohnumfeldverbesserung für die Bewohner*innen des Stadtteils erreicht werden kann. Ausgehend von den Erfahrungen der bisherigen Projekte waren auch bei diesem Projekt die Grundlage wöchentliche Treffen, bei denen ein gemeinsames Frühstück unter dem Gesundheitsaspekt, Austausch, kreatives Arbeiten, Beratung und gemeinsame Planung stattfinden konnte. Hier wurden einerseits Ideen gesammelt, Modelle gebaut, Materialien ausprobiert und Skizzen gefertigt, andererseits auch offene gestaltungs-sozialtherapeutische Einheiten angeboten, die Raum für persönliche Auseinandersetzung geben. In dem über ein halbes Jahr andauernden Projekt wurde so auf den Bau einer Sitzbank hingearbeitet. Einerseits wurden konkrete Ideen als Modell oder Skizze umgesetzt und zur Diskussion gestellt, andererseits beschäftigten wir uns mit dem Thema "Begegnung" im Stadtteil und den daraus resultierenden Wünschen für eine Bank, die dies ermöglicht. Herkömmliche Bänke sind oft zu kurz und nicht auf Kommunikation ausgerichtet. Wenn einer darauf sitzt, traut sich kein anderer dazu. Deshalb wurde eine Bank in Schlangenform erarbeitet, auf der sich mehrere Menschen in zwei bis drei kleinen Gruppen niederlassen können und einander zugewandt unterhalten können. Sie ermöglicht dabei einerseits Gespräche in Kleingruppen, andererseits auch ein Zusammensitzen, ohne gleich am Gespräch der anderen Gruppe teilnehmen zu müssen. 

Beim Mauern der SitzschlangeDie Idee wurde im Rahmen von vier Projektwochen im Juni 2006 verwirklicht: eine aus Backsteinen gemauerte Sitzbank in Schlangenform am Rande der Grün- und Spielfläche zwischen Nachbarschaftszentrum und Wohnbebauung. Die ca. 11m lange "Sitzschlange", auf der ca. 8 bis 12 Personen Platz finden können, wurde auf einem Fundament Stück für Stück hochgemauert und in den letzten Projektwochen an vielen Stellen mit einem Mosaik aus Fliesenbruch verziert.

Insgesamt nahmen über 30 Teilnehmer*innen an dem Projekt auf unterschiedliche Weise teil, nutzten die wöchentlichen Angebote, Beratung und Kreativeinheiten, beteiligten sich am Herrichten des Gartens oder engagierten sich beim Bau der Sitzschlange und brachten ihre verschiedenen persönlichen und beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse mit ein. Insbesondere die handwerklichen Fähigkeiten und Baustellenerfahrungen vieler beteiligter Erwerbsloser kamen dem Projekt hier zu gute.

Im Rahmen des Projektes wurde deutlich, dass die Bewältigung ihrer Lebenssituation für viele Menschen insbesondere durch die Veränderungen im Rahmen von Hartz IV schwieriger geworden war. Das Projekt konnte dazu beitragen, die neue Lebenssituation besser zu meistern und vorhandene Netzwerke zu nutzen. Indem die Betroffenen vorwiegend selbst aktiv werden konnten, trug das Projekt zur Prävention vor einem Abrutschen in Selbstvernachlässigung und Inaktivität bei. Weil unterschiedliche Zielgruppen (Langzeitarbeitslose, Migrant*innen, Rentner*innen, arbeitende Bewohner*innen des Stadtteils sowie Schüler-Praktikant*innen der Karl-Keller-Schule Braunfels) am Projekt mitarbeiteten und die Ergebnisse nun gemeinsam präsentierten, trug das Projekt seinen Teil zur Entwicklung von Toleranz und Demokratie im Stadtteil bei. Im Anschluss an das erfolgreiche Projekt wurden weitere Objekte im Stadtteil verwirklicht: Liegestühle, Skulpturen, Spielgeräte und ein Schachfeld.